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Allgemein

Was Google tut – Jetzt gibt’s Google+

In der Internetszene hat sich die Nachricht wie ein Lauffeuer verbreitet und jeder wollte so schnell wie möglich rein, zu Google+, dem neuen Facebook von Google.

Als Zwischenruf in der Kreativpause der medien-sprechstunde möchte ich das Release des neuen Dienstes nutzen, um mal die Arbeitsweise dieses irrsinnig erfolgreichen Unternehmens unter die Lupe zu nehmen. Denn das entspricht dem, wie jetzt und in Zukunft gearbeitet, agiert und Geld verdient wird. Die Medien- und Werbebranche hat es schon längst zu spüren bekommen, dass der Markt nicht mehr wie früher funktioniert. Das Internet verändert unsere Welt. Wir alle haben damit täglich zu tun. Wir können uns dieser Entwicklung nicht entziehen und deshalb ist es gut sie zu verstehen.

In dem Buch von Jeff Jarvis „Was würde Google tun“ von 2009 finde ich für die Erläuterungen einen guten Begleiter. Zugegeben, Jarvis schreibt ziemlich euphorisch und für deutsches, E-Mail-affines und Facebook-skeptisches Publikum ist es eher gewöhnungsbedürftig. In vielen Punkten gebe ich im jedoch recht. Ich fasse die Prinzipien einmal so zusammen:

Vereinfachen
Vernetzen
Beteiligen
Öffnen

Hört sich simpel an, oder? Ich versuche einmal, die Punkte zu erläutern, ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Denn das ganze Thema ist unheimlich komplex und alles hängt irgendwie miteinander zusammen.

Vereinfachen: Das ist offensichtlich, wenn man die Google-Webseite öffnet. Eine weiße Fläche, der bunte Schriftzug und das Wesentliche in der Mitte: Die Suchfunktion. Das war beim Start 1997 ungewöhnlich. Die ersten Testnutzer warteten minutenlang, dass die Seite zu Ende lädt und sie mit ihrer Suche beginnen können. Sie waren an sich langsam aufbauende, blinkende und überladene Seiten gewöhnt. Das berichtet jedenfalls die Marketingleiterin von Google, Marissa Mayer.
Mit Google finden wir das, was wir suchen schnell und zielführend – als Link. Diese Zielgerichtetheit ist entscheidend. Damit verdient Google Geld – mit ebenso punktgenauer Werbung. Auch die stört nicht, sondern ergänzt unsere Suchergebnisse. Das gibt der Nische eine Chance. Die Links sorgen für Spezialisierung und ermöglichen den Nischenmarkt. (Jarvis, S. 51) Der Massenmarkt hat Konkurrenz bekommen. Hallo, das ist ein Wink mit dem Zaunpfahl an alle, die meinen, dass möglichst viel (Freunde, Follower, Fans) immer noch am besten ist. Hier geht es um die Qualität von Beziehungen, nicht um Quantität.
Jarvis schreibt: „Der Wendepunkt kritischer Masse im Wirtschaftsleben ist von Wolken- auf Augenhöhe gesunken.“ (S.97) Der Nischenmarkt hat durch das Internet Anschluss an einen weltweiten Markt, unabhängig von den vorherigen Kontrolleuren und Vermittlern des Marktes.

Vernetzen: Jarvis bezeichnet die Suchfunktion von Google als einen Engelskreis, das Gegenstück zum unbeliebten Teufelskreis. „Das Internet ist ein dreidimensionaler Raum aus miteinander verwobenen Links, deren Wert sich im Laufe der Zeit und bei häufigerer Nutzung vervielfacht. Google ist der Generalvertreter dieser Art von Wertschöpfung.“ (S.53) Aus dieser Logik heraus ist es sinnvoll Inhalte zu teilen und nicht sie zu verstecken, abzuschirmen und unauffindbar zu machen. Genau das taten und tun noch Verlage: Ein Abo-Schloss vor Artikel legen. Jarvis bezeichnet die Mediendiskussion um das Urheberrecht als Selbstmord. (S. 78) Auch die Online-Riesen Yahoo und AOL sind daran gescheitert, dass sie an überholten Regeln festgehalten haben: „…sie üben Kontrolle über Inhalte und Verbreitungswege aus und bilden sich ein, man könnte Kunden, Beziehungen und Aufmerksamkeit ‚besitzen‘.“ (S. 19)
Die Informationssuche bei Google ist weltweit so üblich geworden, dass „etwas googeln“ sich als eigenständiges Wort in den Sprachen etabliert hat. Bevor man etwas kauft oder irgendwo hinfährt, googelt man erst einmal. Wer nicht im Netz ist, wird auch nicht gefunden. Warum gibt es dann immer noch Unternehmen, die keine Internetseite haben oder nur eine digitale Visitenkarte?!

Beteiligen: Das Internet ist voll von Kundenmeinungen und Produktbewertungen. Hier gilt es, den Kunden zuzuhören, die Weisheit der Masse zu nutzen, auf Augenhöhe zu kommunizieren. Die hohe Kunst ist es, Kunden einzubeziehen, sie an der Produktentwicklung zu beteiligen. Google tut das beispielsweise mit seinem Partnerprogramm Google-Adsense. Jeder kleine Webseitenbetreiber kann Teil des Anzeigennetzwerkes von Google werden und mitverdienen. Und was hat Google davon? Wachstum und Verdienst durch Kontrollabgabe. Kann sich das jemand für den klassischen Anzeigenmarkt vorstellen? Jarvis spricht hier vom „Millenium-Clash alter und neuer Medienmodelle: Content-Wirtschaft trifft auf Link-Wirtschaft“. (S. 210)
Im eigenen Unternehmen setzt Google auf die 20 %-Regel. Das bedeutet, jeder Mitarbeiter hat 20 % seines Arbeitsvolumens Zeit für eigene Ideen. Das Unternehmen gibt seinen Mitarbeitern Raum, ihren Vorlieben nachzugehen. Das ist ein sehr motivierendes und zukunftsweisendes Modell. Wie ist das in klassischen Unternehmen? Da tut man von 9 to 5 das, was der Chef sagt und stellt seinen kritischen Verstand am besten ab.
Google ist immer sehr nah an den Kundenbedürfnissen dran. Man erinnere sich nur an die übersichtliche Seite mit der Suchfunktion. So ist Google zum Unternehmen geworden, das bisher in der Weltgeschichte am schnellsten gewachsen ist. Die Kunden kamen nicht durch Werbekampagnen sondern durch Mundpropaganda. Das ist eine neue Qualität der Kundenbeziehungen. Der Kunde wird zum Partner und ist kein störender Quengler, der nur die Botschaft des Unternehmens nicht richtig versteht.

Öffnen: Im Internetzeitalter sind Firmen erfolgreich, die Plattform bereit stellen, so dass sie Menschen nach ihren Bedürfnissen nutzen können. Beispiele sind Amazon, Flickr, Ebay oder Facebook. Der Gründer von Facebook, Mark Zuckerberg, wurde nach seinem Geheimnis für den Aufbau einer erfolgreichen Community gefragt. Er antwortete knapp: „Das können Sie nicht.“ (S. 88) Warum? Die Communitys gibt es bereits. Man kann ihnen nur helfen, sich besser zu organisieren. Genau das hat Facebook mit seinem Netzwerk getan. Menschen können sich weltweit leicht vernetzen und Inhalte wie Text, Musik, Videos und Bilder miteinander teilen, chatten und spielen. Daneben kann man das Netzwerk wie eine Suchmaschine nutzen. Zuckerberg tritt damit in Konkurrenz zu Google.
Doch der Konzern ist nah dran. Mit Google+ beweist er wieder, dass er am Puls der Zeit ist, wie sehr er die neue Funktionsweise der Informationsgesellschaft versteht. Das zeigen die Nutzerzahlen. Innerhalb von 24 Tagen waren es weltweit 20 Millionen. Facebook hat dafür 1151 Tage gebraucht, Twitter 1035.
Wer die intuitive Nutzerführung testen möchte, dem schicke ich gern eine Einladung. Denn auch hier setzt Google wieder auf Mundpropaganda, nicht auf Werbung .

Mail an: bungard@medien-sprechstunde.de

Warum tut Google das? Hier geht es nicht vordergründig um Geld und Macht. Hier geht es um die Verwirklichung der Idee von Brin und Page, Wissen auffindbar und verfügbar zu machen. Jarvis schreibt dazu: „Google liegt nichts daran, die Welt zu beherrschen, man will sie nur organisieren.“ (S. 205)

Noch mehr Bücher zum Thema:
Die Google-Story, David A. Wise/ Mark Malseed
Die neuen Marketing- und PR-Regeln im Web 2.0, David M. Scott
Socialnomics, Erik Qualmann

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